In Vrenelis Vorgärtli
Zwei freie Tage am Stück unter der Woche bei gleichzeitig bestem Wanderwetter: Da muss der Berg nicht einmal rufen, und ich stehe schon ausgerüstet parat. Mein Wanderziel: Glärnischhütte, Ausgangspunkt für das sagenumwobene Vrenelisgärtli. Ich begnüge mich indes mit ihrem Vorgärtli und will am Folgetag über die Zeinenfurgglen nach Braunwald wandern. Ein Reisebericht von der Via Glaralpina, Etappen 4&5.
Wer sich schon immer einmal eine Digital Detox Kur gönnen wollte, aber sich bislang nicht traute, der kriegt sie hier automatisch verpasst. Und wem besonders in Zeiten von C-Bedrohung nach einsamem Naturerlebnis dürstet: this is the place to be. Zwischen Klöntalersee und Braunwald herrscht Funkstille und tote Hose. Herrlich!
Für Eilige liesse sich der Zustieg zur Glärnischhütte in 3h 30 bewältigen. Viel empfehlenswerter sind aber die sechseinhalb Stunden Wanderglück von Rhodannenberg entlang des Klöntalersees (Spiegelungen!) zum Kraftort Richisau (Bergahorne!) und via Chäseren (Schindelhäuser!) in vielen Kehren hoch zur Nachtlager auf knapp 2000 m.ü.M. Einmal mehr beeindruckt mich das Glarnerland mit seiner Vielfalt auf kleinstem Raum. Kein Hoger ist wirklich hoch, der höchste (Tödi) sogar nur 3614 m.ü.M. Aber schroff und imposant sind die Felswände und Gipfel wie kaum sonst in der Schweiz.
Im Tourenbeschrieb dieser beiden Etappen der Via Glaralpina wird die Zeinenfurgglen als DIE Schlüsselstelle angegeben. Dass es sich hierbei um einen Irrtum handelt, wird mir im Schlafsaal schlagartig bewusst: die Leiter hoch ins Kajütenbett ist mindestens Klettern im Schwierigkeitsgrad 4c! Die Hütte selbst ist trotz ihrer beachtlichen Grösse mit 115 Schlafplätzen gemütlich und urchig – so, wie ich es am liebsten mag. Aber wie lange noch? Denn Bauprofile zeigen eine Veränderung an, und in Prospekten wird um finanzielle Unterstützung für eine modernere Infrastruktur geworben. Angenehm, dass an diesem Tag nur 20 Berggänger oben verweilen. Während meines Aufenthalts erlebe ich dreimal Ungewohntes: 1. ein Einzeltisch und dadurch keine Konversation mit Gleichgesinnten (merci, Corona), 2. ein ganzes Gliger für mich allein, 3. ich starte am Morgen tatsächlich als Letzte… dabei war meine Tagwache doch immerhin um 05:45h.
Tag 2 hat es in sich: 8 Stunden, 1450 Aufstiegsmeter, deren 1660 im Abstieg und die auf beiden Seiten überaus steile Zeinenfurgglen. Es wird sechs Stunden dauern, bis ich erstmals wieder Menschen begegne. Dazwischen erlebe ich eine faszinierende hochalpine Landschaft, überwältigende Gesteinsformationen, anspruchsvolles blau-weiss-Wandern durch weglose Geröllfelder, einen kniebrechenden Abstieg zur Alp Bächi und Ziegen, Schafe, Lamas. Der Übergang über diesen feinen Zurggel verlangt mir einiges ab, vor allem mentale Stärke. Es tut gut, wenn man zwischendurch nebst den Oberschenkeln auch wieder einmal seine Grenzen spürt… Trotz der Strapazen überwiegen die vielen Glücksmomente bei weitem, und so plane ich auf der Heimfahrt bereits die nächsten Teilstücke des insgesamt 19 Etappen umfassenden Weitwanderwegs rund um den Zigerschlitz… à suivre.
Die Zauggschen fünf:
- Z ustieg: in dreieinhalb Stunden ab Klöntal Plätz auf markiertem Bergwanderweg. Viel schöner: mit Zusatzschlungg ab Klöntal Rhodannenberg
- A ugen: für Maler, Lyriker und Fotografen: das anmutige Klöntal; für Botaniker: Bergahorne, Feuerlilien und Rittersporn; für Heimatschützer: die Bäuert Chäseren mit hübschen Schindelhäusern, für Geologen und Alpinisten: der höchste Schwyzer Bös Fulen und seine schroffen Nachbarn
- U ebernachtung: mehrere Schlafräume mit total 115 Plätzen, coronabedingt um die Hälfte reduziert
- G aumenfreuden: ein schmackhaftes Traditionsmenu: Bouillon mit Gemüseeinlage, grüner Salat, Spaghetti Bolognese, Vanillecaramelpulverrahmschichtdessert.
- G emüt: Sitzkissen aus Militärdecken, rotweisskarierte Vorhängli, Brot im Glarner Tüechli, zTringgä usem Beggeli, Magenträs, Schwiiboden, Munggenblanggen, Milchplanggenstogg
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