Schuhsohle ade

Schuhe auf Fels
Hydro was?

Schuhsohle ade

Nein, meine Tochter hatte wenig Freude, mit diesen «aufgepimpten» Schuhen durch die Berge zu wandern. Doch nachdem sich – kaum losgewandert – die Sohlen gelöst hatten, nahm sie die Notlösung ziemlich gelassen hin. Und liess sich nicht minder vom Oberaargletschertor beeindrucken.

Eltern kennen es zur Genüge: Im Frühling sind die Wanderschuhe der Kinder zu klein. Dann steige ich jeweils in den Keller, wo sich mit den Jahren eine richtige Schuhsammlung in allen Grössen gebildet hat. Meist finde ich so je ein passendes Paar für die zwei jüngeren meiner drei Kinder. Und die Saison kann beginnen.

Nicht so letztes Jahr, als wir die erste Zweitageswanderung im Grimselgebiet unternahmen. Am Fusse des Sidelhoren wandern wir dem Oberaarsee entgegen, suchen nach kleinen Kristallen, die hoffentlich von Strahlern übersehen worden sind. Alles läuft wie am Schnürchen, bis meine Tochter meldet, dass sich die Sohle ihrer Schuhe lösten. Der Kunststoff der Zwischensohle beginne zu bröckeln.

Es war ein Déja-vu für mich: Auf einer meiner ersten Reportage als Redaktionsleiter des Magazins DAS WANDERN war ich vor 13 Jahren im Val S-charl im Unterengadin unterwegs, als mir ebendies passierte. Ein Glück, konnte ich damals Ersatzwanderschuhe auftreiben, um die Rekognoszierung weiterzuführen.

Zu Beginn

Am Grimselpass zu Beginn der Wanderung ahnten wir noch nichts von der Schuhüberraschung.

Die gelbe Rolle

So einfach war es auf der Grimsel nicht. Wenigstens löst sich die Sohle nur Stück für Stück, und meine Tochter kann mit etwas Sorgfalt weiterwandern. Doch am Abend, als wir im Berghaus Oberaar ankommen, ist Schluss. Zum Glück hilft uns Gastgeberin Judith Hohl weiter: Am nächsten Morgen reicht sie uns eine grosse Rolle mit gelbem Klebband, mit dem wir die Schuhe notdürftig zusammenkleben.

  • Hüttenchefin

    Gastgeberin Judith Hohl rettete uns den zweiten Wandertag souverän.

  • Schuh auf Wanderweg

    Gelbes Intermezzo auf dem Wanderweg.

  • Schuh mit rolle

    Die Kleberolle kam mit auf die Wanderung, um bei Bedarf nachzubessern.

    Das Keller-Problem

    Doch was ist mit den Schuhen nun passiert? Die Schuhhersteller kennen das Problem seit Langem, im Fachjargon nennen sie es Hydrolyse, zu Deutsch Versprödung. «Nach sieben bis zehn Jahren kann diese bei fast allen Schuhen vorkommen», erklärt Schuhmacher Walter Abegglen, der bei Lowa in Matten bei Interlaken täglich sechs bis zwölf Paar Schuhe neu besohlt – pro Jahr sind das 2000 Paar Schuhe. Es handle sich bei der Hydrolyse nicht um einen Material- oder Verarbeitungsfehler, sondern um einen natürlichen Zersetzungsprozess.

    Bei der Produktion von Wanderschuhen wird zwischen Schaft und Sohle ein weicher Keil aus Polyurethan-Schaumstoff (PU) eingefügt. Dieser sorgt für Tragkomfort und Dämpfung. Der Schaumstoff verändert mit der Zeit durch Feuchtigkeit, Licht sowie Pilze und Enzyme seine Zellstruktur: Der Weichmacher darin verflüchtigt sich, das Material wird spröde, es bilden sich kleine Risse.

    Auch das lange Lagern von Schuhen im Keller tut den Schuhen nicht gut. Die Hydrolyse beschleunigt sich dabei. Ein Problem, das auch Schuhverkäufer kennen: Die «Ladenhüter» verlieren mit der Zeit an Qualität und müssen neu besohlt werden, wenn sie im Verkauf bleiben sollen.

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    Walter Abegglen flickt jährlich über tausend Schuhe. Und weiss, wie man Hydrolyse aufspürt. Bild: Lowa

    Der Kugelschreiber-Test

    Was habe ich also gelernt aus meiner Grimselstory? Die Schuhe aus dem Keller müssen erst überprüft werden, bevor sie in Einsatz kommen. Optisch ist das aber gar nicht so einfach, weil Hydrolyse von Auge erst erkennbar ist, wenn es zu spät ist. Doch Schuhmacher Walter Abegglen hat einen Tipp: «Wenn du mit einer Kugelschreiberspitze in den Schaumstoffkeil eindringen kannst, ist die Hydrolyse nicht weit. Der Schuh muss neu besohlt werden.» Das lohnt sich bei gut erhaltenen und liebgewonnenen Wanderschuhen und kostet ungefähr 140Franken

    Der gelbe Schuhlook

    So schafft es meine Tochter am zweiten Wandertag, den Bergweg zum Oberaargletscher und zurück behelfsmässig zu meistern. Elegant sehen die gelben Klebstreifen nicht aus, auch lösen sie sich mit der Zeit. Doch es lohnt sich: Der Weg ist abwechslungsreich und einfach, das Gletschertor als Höhepunkt macht den Kindern – und auch mir – mächtig Eindruck.

    • Gletschertor

      So nah am Gletscher ist man selten: das Oberaargletschertor.

    • Gletschervorfeld

      Auf dem Gletschervorfeld, mit Blick Richtung See.

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