Spaziergang oder nicht – das ist hier die Frage
Wir gehen durch die Zeit und die unberührte Natur auf der Suche nach Dinosaurierspuren und dem letzten unverbauten Gewässer Nidwaldens. Ein Spaziergang soll die Entdeckungstour in die Risletenschlucht bei Emmetten sein, hatte ich angekündigt. Meine Freunde sind da ganz anderer Meinung.
Diese Wanderung hatte ich schon lange vor. Seit ich sie als Kind einmal mit der Schule gewandert bin, wollte ich immer mal zurück. Der letzte Tropfen Motivation kam aber aus dem Büro hier in Bern. Während einer Kaffeepause erzählte mir unsere Redaktorin, dass die Risleten-Schlucht das einzige unverbaute Gewässer in Nidwalden ist. Als sie dann noch sagte, dass es Dinosaurierspuren hat, war die Sache klar. Auf zur Risleten.
Ein Spaziergang
Wenn man auf der Karte schaut, geht die Wanderung schön entspannt von Seelisberg auf halber Höhe über dem Vierwaldstättersee durch Felder und Wald bis zur Risleten. Es sind nur rund 500 Höhenmeter, und die meisten davon sind abfallend, da man ja in Seelisberg auf 800 m ü. M. startet. Also habe ich ein paar Kollegen zusammengetrommelt und sie auf einen verlängerten Spaziergang inklusiv Abkühlung eingeladen. Wie sehr diese Formulierung mich noch in Schwierigkeiten bringt, siehst du gleich selbst.
Aber schön der Reihe nach. Von Seelisberg geht es gemütlich los. Wir haben eine schöne Aussicht auf den Vierwaldstättersee, vor uns einen Blumenteppich und in der Ferne machen wir den Wald aus, in den wir verschwinden werden.
Wir tauchen ein in den Wald und lassen die Zivilisation zurück. Hier unter den Bäumen fällt es einem leicht, sich in lang vergangene Zeitalter hineinzudenken. Auf schmalem Weg geht es hinauf in Richtung Follen. Der Wald ist wild, voller umgefallener und umgeknickter Bäume, die liegen gelassen wurden. Überall wachsen Farne – was für mich die Urpflanze par excellence ist, denn es gab sie bereits vor hunderten Millionen Jahren. Also etwa zur gleichen Zeit wie die Dinosaurier, deren Spuren wir folgen. Wie es hier damals wohl ausgesehen hat? Rechts schimmert der See unter uns, und links ragen klippen 50 Meter in die Höhe. Wenn jetzt ein Dino vorbeikommen würde, hätten wir keine Chance.
Dinos sind mein kleinstes Problem
Nun sind wir bereits zwei Stunden unterwegs, die letzte davon aufwärts und langsam. Meine Mitwanderer finden, dass meine Definition von «geradeaus» und «Spaziergang» etwas fragwürdig sei. Ob ich denn auch wirklich für die Schweizer Wanderwege arbeite, foppen sie mich. Die Wanderung sei schon etwas anstrengend und steil und auch länger als versprochen. Von geradeaus könne keinesfalls die Rede sein… Ich übe mich in Schweigen. Alles was ich jetzt sage, wird eh gegen mich verwendet.
Aber da hören wir zum Glück ein Rauschen durch den Wald. Am höchsten Punkt unserer Wanderung angekommen, gehen wir 50 Meter bergab und siehe da: der Choltalbach!
Urgewalt Wasser
Wir stehen auf einem schmalen Steg. Unter uns in der Tiefe rauscht der Bach mit Wucht von Strudeltopf zu Strudeltopf. Die Schlucht ist schmal und vom Wasser gezeichnet. Bäume liegen verkeilt über dem Wasser und verleihen dem Ort noch mehr Urgewalt – so, wie er schon immer ausgesehen haben muss. Weit und breit ist kein Zeichen von Menschenhand zu sehen. Es ist offensichtlich, weshalb dieses Gewässer nie verbaut worden ist. Was auch immer in dieser Schlucht landet, wird erbarmungslos von den tosenden Wassermassen mitgerissen. Ich geniesse, dass es allen die Sprache verschlagen hat und sie vergessen haben, über meinen «Spaziergang» zu meckern.
Auf dem Weg durch die Schlucht suchen wir nach den Dinosaurierspuren. Fantasie haben wir genug und so sehen wir überall Zeichen von Krallen und Fussabdrücken. Ob wir nun wirklich Spuren gesehen haben, bezweifle ich aber.
Unten an der Risletenschlucht angekommen: See, Feuerstelle (mit Holz), sogar ein Plumpsklo und endlich ein Schild, das auf die Dinosaurierspuren hinweist und zeigt, wo sie zu finden sind. Es war also doch nicht alles Fantasie! In der Felswand sind einige Spuren erkennbar. Doch jetzt interessiert uns das Wasser mehr und wir springen alle in den Vierwaldstättersee. Ausgeruht, erfrischt und mit einem «Glesli Wiissä» sind plötzlich alle der Meinung, es sei halt doch ein schöner «Spaziergang» gewesen. Aha! Als ich dann Frage, ob sie wieder einmal mitkommen, sind alle dabei. Ich soll aber in Zukunft die Route im vornherein allen senden. Zur Kontrolle sozusagen, ob meine Definition mit der jener meiner Freunde übereinstimme.
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