Aletsch – Erlebnisse anderer Art
Nicht dass ich mich beschweren möchte, aber wo waren all die Leute? Kaum zu glauben, trotz grandioser Aussicht auf den Gletscher und herrlichem Wanderwetter waren wir fast allein am Berg. Bis auf ein paar versprengte asiatische Touristen in Turnschuhen und einzelne sportlich aktive Pärchen war rund ums Bettmerhorn kaum jemand unterwegs.
Nachdem wir den ersten spektakulären Blick am View Point Bettmerhorn genossen haben, sind wir eine ganze Weile parallel zum Gletscher gewandert und haben schnell Höhenmeter gemacht. Obwohl „schnell“ vielleicht etwas zu optimistisch umschrieben ist, denn überall gab’s Neues zu entdecken. In unserem Fall waren das tellergrosse Flechten, Stiefmütterchen, Alpen-Astern, rosa blühende Hauswurzen und natürlich diverse Gesteine und Felsformationen. Daran kommt man einfach nicht vorbei.
Als wir endlich ein windstilles, einsames Plätzchen mit perfektem Blick auf den Gletscher gefunden haben, sind ziemlich bald zwei Italiener zu uns gestossen. Und die beiden haben tatsächlich nichts Besseres zu tun gehabt, als sich ausschliesslich mit ihren Handys zu beschäftigen… nicht mal Bilder haben sie gemacht, sie waren nur wild am Tippen und Wischen. Der Empfang war dort oben möglicherweise besonders gut!
Aus der Ferne, von oben betrachtet, haben die unzähligen Gletscherspalten ziemlich klein und unspektakulär auf uns gewirkt. Mit dem Fernglas sind sie ein kleines Stückchen näher herangerückt. Auch erstaunlich, das Eismeer selbst war nicht etwa glatt und weiss, sondern kantig, hügelig und an vielen Stellen durchsetzt mit den für den Aletsch typischen dunklen Streifen, den Mittelmoränen. Und am Gletscherrand konnten wir dem Eis regelrecht beim Schmelzen zusehen. An einem heissen Sommertag verliert der Gletscher tatsächlich etwa 20 cm an Höhe!!!
Auf den Wanderwegen unterhalb des Bettmerhorns hat auch die Beschilderung an Höhe verloren. Das „Brett vor dem Kopf“ ist garantiert!
Wie anzunehmen war, hat sich auch unser Abstieg in die Länge gezogen (die Sonne war schon fast hinter dem Berg verschwunden). Unverhofft sind uns zwei putzige Murmeltiere mehr oder weniger über den Weg gelaufen. Das eine lag lasziv auf einem Felsen und hat die letzten Sonnenstahlen genossen, das andere war schon auf der Suche nach feinen Kräutern zum Znacht. Auf allen Vieren haben wir uns angerobbt und versucht, unentdeckt zu bleiben. Hinter jedem Grashalm haben wir uns versteckt. Unbemerkt sind wir zwar nicht geblieben, aber die beiden Murmelis sind auch nicht panikartig in ihren Löchern verschwunden. Also alles richtig gemacht!
Allerdings hat nicht jeder so viel Erfolg beim Beobachten von Wildtieren wie wir an diesem Abend. Wie der Name schon verrät, es sind wilde Tiere, die ihrem natürlichen Instinkt folgen und bei Zeiten die Flucht ergreifen. Damit es aber gar nicht erst so weit kommen muss, hier noch ein paar praktische Tipps.
- Wenn das Tier erste Anzeichen macht zu fliehen, besser sofort stehen bleiben.
- Im Optimalfall nähert man sich dem Tier im Zickzack und läuft nicht schnurstracks drauf zu.
- Je schneller man sich bewegt, desto schneller hat das Tier die Flucht ergriffen; also immer schön langsam.
Als wir dachten, schon (fast) alles gesehen zu haben, gab’s noch eine kleine Überraschung. Relativ nah, auf einem Stein, sass ein kleiner unscheinbarer Vogel und hat ganz eigenartige Töne (hiiit) von sich gegeben. Auf den ersten Blick sah er aus wie eine Bachstelze, aber etwas hat gefehlt… Richtig, das nervös anmutende Wippen und der lange Schwanz. Zuhause haben wir dann rausgefunden, dass wir ein Tête-à-tête mit einem männlichen Steinschmätzer im Prachtkleid hatten.
Bei Anbruch der Dunkelheit haben auch wir die Talstation endlich erreicht und konnten im Zug entspannt die Füsse hochlegen. Neun Stunden auf Achse waren ausreichend.
Kommentare
Noch keine Kommentare