Mission „Alice befreien“
Alice aus dem Wunderland war am letzten Samstag im Wanderland, im schönen Schönried im Berner Oberland. Leider schmachtete unsere Heldin hinter Gittern. Wir haben sie wandernd befreit.
Und nicht nur wir, mehrere Hundert andere Wanderfreudige machten sich auf die Familienwanderung von Coop und den Schweizer Wanderwegen. Wir sammelten dabei Tränen, um das Herz der frustrierten Herzkönigin zu erweichen. Sie war es nämlich, die unsere Heldin eingesperrt hatte, nur weil diese im Schlossgarten verbotenerweise ein paar Blumen gepflückt hatte. „Gell Papa, man darf nicht Blumen pflücken“, fragte mich mein Jüngster betroffen zu Beginn der Wanderung, wohl wissend, dass da unsere Alice etwas Schwerwiegendes verbrochen hatte. Ich versuchte, dem Tatbestand etwas die Brisanz zu nehmen, wohl wissend, dass meine Frau ab und zu ein kleines, selbstgepflücktes Blumensträusschen durchaus zu schätzen weiss. Sie war übrigens an diesem Tag nicht mit dabei, musste arbeiten und schickte deshalb verdankenswerterweise meine Schwiegereltern und den Cousin meiner Kinder mit auf unsere Rettungsaktion. Wir gingen die Mission „Alice befreien“ also gut bemannt an.
Der Sonnenkönigin sei Dank
Die erste Prüfung bestanden wir gleich am Bahnhof im Sponsorendorf. Kaum hatten wir die kleine Zeltstadt betreten, lagen in unseren Armen: Eisteeflaschen und knallgelbe Picknickdecken eines Grossverteilers, Käsestücke und Jogurtdrinks einer grossen Molkerei, Sonnenbrillen und Tattoos einer Versicherung sowie Gummibärchen einer kantonalen Wanderwegorganisation*. Die erste Stunde war also schnell vorbei und die Kinder schon glücklich. Auch der Wanderpapa freute sich, denn schliesslich hatten die Kinder in einem Zelt die Sonnenkönigin getroffen, die ihnen mit wichtiger Miene nahelegte, sich immer schön mit Sonnencreme einzureiben und die geschenkte Sonnenbrille brav zu tragen. Schade, hatten wir das Sonnencreme-Einreiben-Theater schon im Zug hinter uns gebracht. Es wäre nun so viel einfacher gewesen – die Organisatoren hätten dies auf der Ausschreibung bereits erwähnen sollen.
Etwas später als geplant ging es also los. Der Heinz mit dem Vogelnest auf dem Kopf liess uns am ersten Posten durch eine Pforte rein ins Wanderland und verteilte die ersten Tränen. Wir steckten die Murmeln in die Stoffsäckchen, die an unseren Hüften baumelten. Die Kinder machten sich bereits erste Sorgen, wie es wohl der armen Alice gehe, und mahnten zur Eile. Der bald vierjährige Lichterprinz nahm sich das sehr zu Herzen und zog mutig alleine los, liess seine Familie bereits nach ein paar Metern hinter sich zurück.
Warnungen vor der Grinsekatze
Bald erreichten wir den verrückten Hutmacher. Er war auf der Suche nach Tränennachschub und so beschlossen wir, picknickend auf ihn zu warten – die Decke hatten wir ja bei uns. Es lohnte sich, er lehrte uns anschliessend das Wanderlied „Jolidulidulidulio, wandere macht froh!“, das wir doch bitte der Grinsekatze vorsingen sollten, damit sie uns nicht kratze. Auch der weisse Hase warnte uns zehn Minuten später vor der Katze, sie erzähle viel Unsinn und wir sollen ihr doch bitte nach den ersten Sätzen nicht mehr zuhören. Das Büsi war dann aber glücklicherweise nicht so krass drauf, sondern recht lustig. Wir tanzten mit ihr den Wandertanz und verdienten uns weitere Tränen.
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Dann war es soweit. Die beiden Soldaten mit den sinnigen Namen „Zu“ und „Befehl“ empfingen uns und schickten uns zum Gefängnis, wo der Showdown stattfand. Mit verkrampfter Miene behauptete die Herzkönigin standhaft, sie sei glücklich, liess sich aber kurz darauf zum Geständnis verleiten, das Gegenteil sei der Fall und sie sehne sich danach, wieder mal tränenreich weinen zu können. Wir schenkten ihr also all unsere Tränen und in meinem Kopf begann Gölä sogleich seinen Song „Keni Träne meh“ zu schmachten. Ich versuchte, den nervigen Ohrwurm hartnäckig, aber erfolglos zu verdängen. Item. Die Herzkönigin schaffte es jedenfalls, tränenreich zu weinen und wrang anschliessend ihr vollgeweintes Taschentuch über der Bühne aus und ich hoffte sehnlichst, der Gölä in meinem Kopf würde in der Tränenflut doch endlich untergehen. Ging er nicht, aber wenigstens kam Alice frei.
Ab ins Schlaraffenland
Der Heimweg stand an und führte an einer Beiz vorbei, die draussen auf einer Tafel wundersam „Alice im Schlaraffenland“ ankündigte. Ein schöner Einfall, doch unverständlicherweise ignorierten wir die Einladung und kehrten ins Zeltdorf zurück. Die Sonnenkönigin hatte jetzt nicht mehr viel zu tun und sass hübsch auf ihrem Thron. Meine Tochter liess sich von ihr verzaubern und fachsimpelte mit ihr lange Zeit – wohl darüber, ob Prinzessin ein valabler Berufswunsch sein könnte oder nicht. Leider verpasste ich die Ratschläge der Königin. Wanderkönig wäre ja auch noch was für mich, oder?
* eine vollständige Sponsorenliste findet ihr auf www.coop-familienwanderung.ch
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