Wie der Esel so das Kind

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29.04.2019 • Wanderpapa

Wie der Esel so das Kind

Jeder bekommt den Esel, der zu ihm passt – das sagte mir Bäuerin Barbara von Les Plaines, dem Bauernhof im französischen Jura, wo wir unsere Frühlingsferien verbracht haben. Und wo wir mit Eseln spazieren gingen. 

So ein Esel ist am Anfang gar nicht so einfach zu führen, musste ich feststellen. Muss ich mir nun Gedanken machen über meinen Charakter? Darüber, dass ich nicht einfach zu führen bin? Oder viel lieber, dass man es mir zutraut, schwierige Charakter zu führen?

Wie dem auch sei. Zurück auf den Bauernhof. Wir sattelten also Maximus, den grauen Esel, auf dem der kleine Lichterprinz reiten durfte und den ich am Seil führen sollte. So ein Esel ist übrigens recht staubig, das wusste ich bisher nicht: Wir klopften ihm freundschaftlich den Rücken, es staubte, als würden wir einen Teppich ausklopfen, der Jahre im Dreck gelegen hat. Was uns nicht daran hinderte, das Grautier weiter zu tätscheln, etwas Bestechung konnte ja nicht schaden, dachte ich mir.

 

 

 

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Barbara instruierte uns also, wie mit den Eseln umzugehen ist. Wichtigste Regel: Wenn der Esel durchbrennt, pack das Kind! Alles andere ist in diesem Moment zweitrangig. OK, verstanden. Weitere Instruktionen folgten. Und dann ging es los. Nun, die anderen Esel gingen los, Maximus zierte sich. Es war sein erster Ritt in dieser Saison und er schien ihn nicht mit Sehnsucht erwartet zu haben. Oder wollte er mir einfach zeigen, dass er nicht bestechlich ist? 

Allons-y, mon copain!

Also befolgte ich Barbaras Rat, riss nicht länger am Seil, denn das brachte gar nichts, sondern kehrte auf die Höhe des Eselskopfs zurück, lud ihn mit freundschaftlicher Stimme ein, jetzt loszugehen – Allons-y, mon copain! – und setzte mich in Bewegung. Er tat es mir gleich! Leider nur für zwei, drei Schritte… Ich wiederholte das Prozedere, Maximus ebenso. 

Und so hatten wir schon auf den ersten Metern den Anschluss total verloren, was mich mehr störte als Maximus. Der wollte einzig saftige Kräuter essen am Wegrand, was ich wiederum verhinderte, schliesslich hatte mir Barbara zuvor gesagt, ich müsse anfangs streng sein mit dem Esel, sonst würde er den ganzen Nachmittag machen, was er wolle. Ich zeigte also meine autoritäre Seite und riss den Eselkopf sanft hoch. 

Was Kinder und Esel gemeinsam haben

Doch wir steckten immer noch fest. Barbara kam mir nun zu Hilfe, sie kannte das Tier ja. Sie stand hinter den Esel und schubste ihn mit beiden Händen an. Und Maximus begann jetzt zu gehen. Den Trick merkte ich mir, und die ersten zehn Minuten wurden ein heiteres Abwechseln zwischen am Seil ziehen, auf Kopfhöhe anlaufen und den Hintern schubsen. So schafften wir es mehr schlecht als recht, zuhinterst in der Gruppe mitzuhalten. 

Eigentlich – so überlegte ich mir – ist das auch ein Rezept, wie man Kinder zum Wandern bringt. Manchmal muss man ziehen, oftmals vergebens. Dann zurückgehen zum Kind, sich auf Augenhöhe begeben, sich in das Kind versetzen, ihm freundschaftlich zureden, und plötzlich geht es weiter. Manchmal bleibt das Kind aber auch einfach störrisch, und ein sanfter, symbolischer Schubs von hinten kann helfen. Und manchmal muss man mit einer gesunden Strenge schauen, dass sich das Kind nicht nicht am Wegrand verliert, zum Beispiel beim Steinchen sammeln.

Freunde geworden

Offenbar stimmt es also, dass jeder den Esel erhält, der zu ihm passt. Maximus passte jedenfalls wunderbar zu mir, er lief in der Folge immer besser, liess sich aber gerne gut zusprechen, wollte immer wieder Gras fressen, ich musste aber nach dem gefühlten hundertsten Mal nicht mehr allzu streng zu ihm sein. Die Schubser von hinten wurden zum freundschaftlichen Tätscheln. Und als dann später der zwölfjährige Zwergenkönig, der den Esel unterdessen übernommen hatte, die Zügel selber hielt, machte Maximus tadellos mit. 

Und ich konnte mich darauf konzentrieren, saftige Tannenzweige zu sammeln, die ich ihm nach unserer Rückkehr auf dem Bauernhof grosszügig verfütterte. 

Wanderpapa

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