Den Könizberg bezwungen: das Heldenepos
Ab und zu erklimmen die Kinder und ich einen Gipfel. Die Erstbesteigung des Könizbergs aber gelang uns erst nach langer Planung, entbehrungsreicher Stunden und mit letzter Kraft. Auf dem höchsten Punkt fielen uns todmüde in die Arme, beglückwünschten uns zur Heldentat und trugen uns ins Gipfelbuch ein.
Es war schon ein unglaublicher Moment, als wir uns die letzten Meter auf den 674 Meter ü.M. hohen Berg schleppten. Wer hätte das gedacht? Noch am Morgen stehe ich draussen und blicke auf den Horizont, das Wetter einschätzend, ob dies nun der lang ersehnte Tag ist oder doch nicht. Es sieht gut aus, die Sonne erhebt sich an der Flanke des Gurtens. Ich entscheide: Heute muss es sein!
So hole ich die Kinder am Mittag direkt von der Schule ab. Wir satteln unsere Velos, unsere Maultiere, doch eines davon bockt und ich muss die herausgefallene Kette wieder ins Ritzel einhängen. Schon jetzt Probleme, ein schlechtes Omen? Das frage ich mich, doch ich wische die Zweifel weg, denn die Stimmung ist gut und wir erreichen den Waldrand, wo wir unsere Maultiere parkieren. Die Zauberfee erklärt, dass sie ihren Drahtesel mitnehmen wolle, da sie am Nachmittag wieder Schule hat und bald wieder abdüsen muss. So sei es.
Wir passieren das Basislager, welches ein Waldkindergarten für uns bereits hergerichtet hat, ohne einen Halt. Schon bald kommt der erste Schwächeanfall im Team: Der Lichterprinz liegt am Boden, jammert, ruft „Hilf mir!“ und „Ich sterbe!“. Ich wende mich ihm zu, spreche ihm gut zu, der Moment zum Sterben sei definitiv nicht gekommen, und nehme ihn bei der Hand. Er erholt sich zum Glück bald.
Nun wandern wir entlang einer Schneise im Wald, wo Altholz, halbe Bäume kreuz und quer verteilt liegen. Da muss eine gewaltige Lawine alles niedergerissen haben, denken wir, und erwarten fortan viel Schnee. Doch Petrus bleibt uns gutgesinnt an diesem Tag, es geht rassig weiter. Niemand verlangt nach Sauerstoff, auch der Pickel bleibt unangetastet. Mein Vorschlag, ein Biwak zu errichten und zu übernachten, schlagen die Drei vehement aus.
Es geht gut voran, wir erreichen den Hillarystep, das letzte grosse Hindernis vor dem Gipfel. Er soll beim letzten Erdbeben in sich zusammengefallen sein, heisst es, und es muss so sein, denn die Kinder tun so, als wäre nichts geschehen, als sie die heikle Stelle meistern.
Und so erreichen wir endlich den höchsten Punkt des Könizbergwaldes, ein gelbes Schild kündigt ihn an, darunter steht eine Gamelle, darin ein Gipfelbuch, eingepackt in einem Plastiksäcklein. Nach einer ersten Verpflegung – einer feinen Wurst über dem Feuer – mache ich ein Inventar meiner Ausrüstung, schaue, was ich neben der Apotheke alles bei mir habe:
Alles bereit, von den Spikes über den Kompass bis zur Wärmefolie und dem Feuerstein – uns konnte und kann wirklich nichts passieren. Denn nach einer Schoggibanane steht nun noch der Abstieg an. Jede und jeder von uns weiss nur zu genau: Erst wenn er gelingt, ist die Mission erfolgreich abgeschlossen. Er verläuft – wir danken dem uns heute gut gesinnten Wandergott – reibungslos, und wir kehren glücklich und stolz zurück nach Hause. Im Wissen, heute Grossartiges geleistet zu haben.
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